Mittwoch, 25. April 2012

Stil und Theorie - Für eine Typologie der bewegten Denkgeste


"Femigrifflus"
Theorien sind nicht einfach so aus Gründen mangelnder Alternativen in Textform gezwängte Argumente und Gedanken. Theorie hat Stil, auch wenn es ein schlechter ist. --
Das war Sartre eigentlich unrecht:
"Es ist evident, daß wir in der Philosophie den Stil nicht nötig haben, man muß ihn sogar vermeiden. Wenn ich mich gehen lasse, eine literarische Wendung in einem philosophischen Werk zu schreiben, habe ich immer den Eindruck, meinen Leser ein bisschen mystifizieren zu wollen: ich mißbrauche sein Vertrauen."
(Sartre, L´écrivain et sa langue)
Das Ideal einer stilfreien Philosophie ist von seinem Grundimpuls her verständlich wie die Angst antiker Sophisten vor ebender. Suggestives Zugemenge, das Leser nicht nur überzeugen, sondern auch bezaubern soll, verdirbt die guten Gedanken. Das ist schön und redlich gedacht, ändert aber an dem Umstand nichts, dass ein Text, und gleichwohlwie, an einem Stil nicht vorbei, nicht ohne Stil und vielleicht nur höchstens mit dem komischen Versuch eines Stiles ohne Stil sich selbst bezaubern kann.
Was aber könnte Stil denn sein?
"Das Wort >Stil< bedeutet ursprünglich den Griffel, dessen sich die Römer beim Schreiben bedienten; er ist dann zur Metonymie geworden für jederlei eigentümlich gestaltete Schreibweise."
(Frank, Stil in der Philosophie)
Nun haben aber nicht nur Texte Stil. Neben einer neuen Tasche und dem eleganten Gang über nachmittäglichen Boulevard bewegt sich auch das Denken eines jeden mit eigentümlicher - vielleicht nie unverwechselbarer - Geste.
"Jedes Tier hat im Denken und Schreiben seinen Gang. Der eine geht in Sätzen und Bögen wie eine Heuschrecke; der andere in einer zusammenhängenden Verbindung wie eine Blindschleiche im Fahrgleise, der Sicherheit wegen, die sein Bau nötig haben soll. Der eine gerade, der andere krumm."
(Johann Georg Hamann)
Und so haben manche Theorien sogar ein eigenes technisches Profil:
"[Die einen sind] Schnellseglern aus einem Holze zu vergleichen, die an der Küste brauchbarer sind als die schwer zu bewegenden, vielfach zusammengesetzten Kolosse, welche für das hohe Meer ihre Bestimmung haben. So mögen diese in ihrer Zeit Mächtigeres wirken, indem sie das, "was not thut" in einer Art Politik des Geistes zu einer Weltformel verabsolutieren, wogegen jene auf dem hohen Meere der Weltgeschichte trotz etwaiger Sprünge und Risse die Stürme der Parteikämpfe eher auszuhalten im Stande sind als die einheitlicheren, aber auch einseitigeren Genossen."
(Max Scheler)

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